Freitag, 15. Juli 2022

Bildungscampus Freiham

In der Münchner Lehrerzeitung erschien ein Interview mit zwei Schulleiterinnen im Campus Freiham, Frau Wobido von der Grundschule und Frau Leogrande vom Sonderpädagogischen Förderzentrum. Danke an Herrn Göb-Fuchsberger für das Recht der Veröffentlichung.

Damit Sie eine Ahnung von den Ausmaßen bekommen, hier zunächst zwei Bilder:

Der gesamte Campus. Am rechten Bildrand die Geothermieanlage.

Hier der Sportcampus von oben.

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Mega-Schulzentrum im Alltag angekommen

Bildungscampus Freiham“: Erste Zwischenbilanz

Blick aus der Bibliothek auf den Campus mit dem umstrittenen öffentlichen Park

Im September 2019 wurde der „Bildungscampus Freiham" (BCF) in Betrieb genommen, das mit Abstand größte Schulbauprojekt der Stadt München. Der 245 Millionen Euro teure Komplex wird im Vollausbau über 3000 Schülerinnen und Schüler in einer Grundschule, einem Sonderpädagogischen Förderzentrum (SFZ), einer Realschule und einem Gymnasium beherbergen.

Der MLLV hat die Planungen zusammen mit Partnern wie REGSAM über viele Jahre hinweg intensiv mit konstruktiver Kritik begleitet und auf einer Beteiligung der künftigen Nutzer bestanden. Nachdem wesentliche Entscheidungen bereits gefallen waren, führte das Referat für Bildung und Sport eine „Zukunftskonferenz" durch.

Der Schulkomplex weist zahlreiche innovative Ansätze auf: So wurde das „Münchner Lernhauskonzept“ auf Drängen des MLLV hier erstmals um zusätzliche Räume zur Inklusion erweitert. Hervorzuheben sind auch die schulübergreifende „gemeinsame Mitte“ mit Mensa, Versammlungshalle und Schulbibliothek sowie ein öffentlich zugänglicher Park im Zentrum.

Der Münchner Lehrertag 2022 bot MLLV-Abteilungsleiter Martin Göb-Fuchsberger einen idealen Anlass für eine erste Zwischenbilanz mit den beiden Rektorinnen Eva Wobido (GS) und Susanne Leogrande (SFZ).

Interview

WANN bekommt

FREIHAM endlich ein

CAMPUSMANAGEMENT?


Göb-Fuchsberger: Im Vorfeld gab es erhebliche Bedenken, ob ein so großes Schulzentrum überhaupt „funktionieren“ kann. Der namhafte Architekt· Peter Hübner warnte öffentlich vor einem anonymen Komplex. Welche Erfahrungen machen Sie?

Leogrande: Die Clusterstruktur der Lernhäuser und das Farbkonzept ermöglichen trotz der beachtlichen Dimension des BCF ein individuelles Gefühl der Beheimatung für die Kinder und Jugendlichen. Es bedarf umfassender und kontinuierlicher Vernetzungsarbeit aller Protagonisten vor Ort, um der Anonymität entgegenzuwirken. Ein höheres Maß an Identifikation der Schülerinnen und Schüler des SFZ hätte durch einen gemeinsamen Raum der Begegnung für alle Kinder, Jugendlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SFZ realisiert werden können. Die Mensa in der „geminsamen Mitte“ ist der einzige Raum, der eine ganze Schulfamilie beherbergen könnte. Für die Nutzung als klassenübergreifender Veranstaltungsraum muss die Mensa aber aufwändig umgebaut werden. Hierfür stehen zu wenig personelle Ressourcen zur Verfügung, sodass dieser Umbau nur sehr selten erfolgt.

Göb-Fuchsberger: Welche Erfahrungen machen Sie mit der gemeinsamen Mitte"?

Wobido: Die „Campusmitte“, anfangs auch „Zentrale Mitte“ bezeichnet, beherbergt besondere Räumlichkeiten, die von allen Schularten genutzt werden. Grundsätzlich ist das wunderbar und lässt sich gut koordinieren. Leider ist die Mensa zugleich die Versammlungsstätte. Bei großen Veranstaltungen (TUSCH, Fachtage etc.), für die Tische und Stühle entfernt oder umgestellt werden müssen, gibt es dann entweder kein Mittagessen für die größeren Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums und der Realschule oder man muss auf kleinere Mehrzweckräume ausweichen bzw. im Notfall die Turnhalle mit großem Aufwand umfunktionieren. Die Größe des Schulzentrums ist gar nicht das grundsätzliche Problem. Die Vielfalt und Andersartigkeit der Schulen im Campus sind sogar sehr bereichernd. Unglücklich ist lediglich die wenig sorgsame Art der Nutzung des öffentlichen Bereichs zwischen den Schulen, der nicht klar erkennbar bzw. vom Schulgelände unterscheidbar ist. Die Leidtragenden sind die Schülerinnen und Schüler bzw. die Hausmeister, die schon frühmorgens den Tag mit dem Säubern der verschmutzten Bereiche beginnen müssen.

Die Bibliothek könnte Bücher jeder Altersgruppe beherbergen und war von Anfang an geplant, von jeder Schulart genutzt zu werden. Bis heute sind die gemeinsamen Bestellungen nicht umgesetzt worden. Unterstützung hinsichtlich einer zusätzlichen Verwaltungskraft oder stundenweiser Einarbeitung einer Bibliothekarin wären hilfreich. Solche Aufgaben in größerer Dimension und Verzahnung, als es sich jede Schulleitung vorstellen kann, lastet als zusätzliches Aufgabenpaket auf uns. Das größte Problem ist das fehlende Campusmanagement, das von Anfang an gewünscht war, dessen Stelle aber nicht besetzt wurde und wohl auch nicht mehr besetzt wird. Unterstützend bekamen wir einen zusätzlichen Hausmeisterkoordinator, der sich um viele Belange kümmert. Trotzdem bleiben weit mehr Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche bei uns Schulleitungen, als es in einem in sich abgeschlossenen Schulgebäude der Fall ist. Die Campusmitte ist ein Gebäude so groß wie eine komplette Schule, aber ohne zuständigen „Kopf“, der ganztägig dort ist und sich hier auch um alles kümmert, was in einem Gebäude dieser Art anfällt.

Leogrande: Die „gemeinsame Mitte" als Begegnungsstätte für schulische und außerschulische Nutzer bleibt ohne Campuskoordinator in vielen Bereichen eine Utopie. Vernetzung benötigt personelle Kapazitäten. Wir versuchen bestmöglich zu kompensieren, stoßen dabei jedoch an unsere Grenzen. Die Mensa und der dazugehörige Ausgabebereich erscheinen für die weiter ansteigende Zahl an Schülern und Erwachsenen am Campus zu klein konzipiert.

Göb-Fuchsberger: Die Planer haben gegen massive Bedenken des MLLV offene Schulgelände und einen öffentlichen Park als gemeinsame Pausen- und Außenfläche umgesetzt, nicht zuletzt um andere Grünflächen im neuen Quartier einsparen zu können. Was hat sich seitdem getan?

Wobido: Aufgrund der vielfältigen nächtlichen Eskapaden fremder Jugendlicher - gerade in der Zeit der Corona- Pandemie, wo viele Orte für Jugendliche geschlossen waren - wurden Bereiche in diesem Gelände zu Rausch-Party-Arealen umgewidmet. Die alkoholischen Reste, zerschmetterte Glasflaschen oder ekelige Hinterlassenschaften fanden wir Schulleitungen, die Hausmeister oder im schlimmsten Fall auch früh ankommende Schülerinnen und Schüler. Da regelmäßig Schwärme an Jugendlichen mit Bierkästen auf der S-Bahn den Weg über das Schulgelände durch den Campus bis zur Unterführung und überdachte Bereiche der Schulen fanden, wünschten wir uns zumindest einen weiteren kleinen Zaun um das Areal der Realschule, Gymnasium und FOS. Das stieß zwar sowohl bei Begehungen und Besprechungsrunden mit der Stadtspitze auf Verständnis, bis heute wurde diese Schutzmaßnahme der größeren lernenden und Pause machenden Schülerinnen und Schüler leider nicht umgesetzt. Wieder waren wir Schulleitungen gefragt. Durch die Vernetzung im Stadtteil und unterstützende Gremien (Präventionskette, Freihamer Bezirksausschuss, ... ) gelang es uns, externe Spielpartner wie z. B. die Spiellandschaft Stadt oder Mobil Spiel mit attraktiven Angeboten in das Grünareal zu lotsen. So nutzen inzwischen vermehrt Freihamer dieses Areal ...

Leogrande: Wie befürchtet führte die Kombination aus öffentlichem Bereich und Schulgelände zu eklatanten Schwierigkeiten. Aus meiner Sicht war es eine sozialromantische Vision davon auszugehen, dass sich die kollidierenden Bedürfnisse aus Freizeitnutzung und schulischen Notwendigkeiten, inklusive Sicherheitskonzept, von allein regulieren würden. Die notwendigen Nachjustierungen sind bislang noch nicht umgesetzt worden.

Göb-Fuchsberger: Inwiefern konnten Sie im Vorfeld der Eröffnung und in der Zeit danach Ihre Erfahrungen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung und Ausstattung Ihrer Schulen einbringen?

Wobido: Die Stelle der Schulleitung der Grundschule im Bildungscampus wurde sehr knapp ausgeschrieben, viel zu spät, um noch mit meinen langjährigen Erfahrungen als frühere Rektorin der GS Winthirplatz mitgestalten zu können. So kam ich leider auch erst sehr spät in das bereits zusammengestellte Team der Schulleitungen im Campus. Offiziell „eröffnet“ wurde der Campus noch gar nicht. Die Eröffnungsfeier wurde (wie bei einigen anderen Schulen und KiTas in Aubing und Freiham) wegen Corona verschoben und wird noch nachgeholt. Nach Inbetriebnahme im September 2019 konnte ich aber noch Wünsche bei der Ausstattung einbringen und profitierte von meinen früheren Erfahrungen und Kontakten.

Leogrande: Erfreulicherweise gab es einen jahrelangen Partizipationsprozess mit zahlreichen Veranstaltungen und moderierten Workshops. Das Sonderpädagogische Förderzentrum München-West stand seit Beginn der Planungen als eine der Einrichtungen im BCF fest. Daher durften wir uns vollumfänglich mit allen Professionen in über vierzig Veranstaltungen einbringen. Fantastisch war, dass auch die Schülerinnen und Schüler in den Planungsprozess involviert waren. Ernüchternd hingegen war es festzustellen, dass die im Partizipationsprozess entwickelten Konzepte größtenteils nicht realisiert werden konnten. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass der Schulbauplanungsverlauf der LHM Jahrzehnte Vorlauf benötigt. Auch Jahre vor der Fertigstellung artikulierte bauliche Wünsche konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Bezüglich der Möblierung konnten wir teilweise Einfluss auf die Ausstattung nehmen.

Göb-Fuchsberger: Fühlen sich Ihre Schülerinnen und Schüler - gerade auch im Ganztag - im Schulgebäude wohl?

Wobido: Ja - das in jedem Fall! Wir haben an unserer Grundschule neben dem gebundenen Ganztag den „Kooperativen Ganztag" mit der sehr flexiblen Variante des Ganztags bis maximal 18.00 Uhr.

Egal, in welchem Modell die Schülerinnen und Schüler angemeldet sind: Für jedes Kind, das auch am Nachmittag betreut werden soll, gibt es einen Platz. Es gibt so viele unterschiedliche Angebote und Spielmöglichkeiten, dass es jedem Kind bei uns gut gefällt. Trotz der Größe der Schule leben und lernen immer max. 100 Kinder in einem Lernhaus. So bleibt es für jedes Kind überschaubar. Toll ist, dass nicht jedes Kind zu jeder Zeit im Klassenzimmer bleibt, sondern auch die Lernhausmitten, Gruppenräume oder besond_ers eingerichtete Räume nutzen kann. Diese Räume sind besonders beliebt.

Leogrande: Das SFZ München- West schaut auf eine jahrelange hochbelastende Umzugsvita zurück. Wir haben in elf Jahren acht Umzüge stemmen müssen und waren auf bis zu vier Standorte fragmentiert. Daher sind wir extrem dankbar aktuell mit allen Schülerinnen und Schülern einen hochmodernen Standort genießen zu dürfen. Die Kinder und Jugendlichen fühlen sich im Ganztag räumlich wunderbar untergebracht. Die Doppelnutzung der Räume als Unterrichts- und Nachmittagsbetreuungsraum erfordert akribische Absprachen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den Klassen 5 bis 9 haben die Schülerinnen und Schüler Nachmittagsunterricht. Hier müssen wir kreative Lösungen finden, um Kollisionen zu vermeiden.

Aus Schülersicht wären Rückzugsräume wünschenswert, da ein ganzer Tag unter vielen Menschen eine herausfordernde Reizüberflutung darstellen kann.

Göb-Fuchsberger: Die Planer betonten immer die besondere Großzügigkeit der Anlage und des Raumangebots. Noch sind die Gebäude nicht ganz voll besetzt. Welche Erfahrungen machen Sie?

Leogrande: Wir sind in eine bereits zu kleine Schule eingezogen, auch die langfristig definierten Schülerzahlprognosen durch den absehbaren Zuzug in den neuen Stadtteil konnten baulich nicht berücksichtigt werden.

Mit einem Teil der Schülerschaft werden wir zu unserem großen Bedauern wieder in einen zweiten Standort ausweichen müssen. Bis dieser fertiggestellt ist, sind wir interimsweise mit vier Klassen in der GS Freiham verortet. Dafür an dieser Stelle ganz herzlichen Dank an dich, liebe Eva Wobidu.

Wobido: Es entsteht eine neue Schule und man weiß eigentlich schon genau, sie wird wieder zu klein sein. Durch die Raumproblematik im SFZ mussten wir als Grundschule ein gesamtes Lernhaus dem SFZ überlassen. Obwohl wir im kommenden Schuljahr selbst 16 Klassen beherbergen, durften wir unsere beiden Partnerklassen der Otto-Steiner-Schule, mit denen wir von Anfang an gut kooperierten, nicht weiter bei uns in unserem Räumen belassen. Nun wird uns der Raum zu klein.

Das Gymnasium war als fünfzügige Schule geplant. Seit letztem Schuljahr starten immer neun (!) fünfte Klassen, da andere Gymnasien nicht mehr aufnahmefähig sind. Dazu kommt, dass das Gymnasium als GB-Schule geplant war, sich diese Situation aber längst geändert hat.

Göb-Fuchsberger: „lnklusion - haben sich die vom MLLV durchgesetzten „lnklusionsräume“ in den Lernhäusern bewährt? Sehen Sie weitere Bedarfe für gute Inklusion?

Wobido: Die lnklusionsräume sind wichtig und notwendig. Es gibt überall großzügig verglaste Räume, außer den lnklusionsräumen, in denen bestimmte Kinder mit Bedarf zur Ruhe kommen können oder nicht von außen abgelenkt werden. Das ist nur ein Anfang, ein erster Schritt. Gerade in Kooperation mit der Otto-Steiner-Schule haben wir gesehen, wie wichtig und notwendig weiteres Personal im Klassenzimmer ist. Dabei meine ich nicht die Schulbegleiter, sondern eine unterstützende Pflegerin oder Fachkraft. Da sich die Schülerschaft in der Grundschule entsprechend den Wünschen vieler Eltern sehr verändert hat, müssten diese inzwischen andersartigen Regelklassen der Grundschule auch mit zusätzlichem Personal ausgestattet werden. Das ist schwierig angesichts der ohnehin schon existierenden Personalknappheit, wäre aber aus meiner Sicht absolut notwendig.

Vergleicht man die Schülerschaft am SFZ im Campus mit der in der Grundschule, gibt es wenige Unterschiede, wohl aber unterschiedliche personelle Möglichkeiten und Klassenstärken.Weitergedacht könnte man auch ein neues Schulmodell erproben, bei dem mit Verbleib aller Schülerinnen und Schüler an der Stammschule die Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Ausbildung zusätzlich an Grundschulen eingesetzt werden, also eine viel engere Verzahnung bzw. Vermischung der Grundschulen und Förderzentren. Das fachliche Knowhow der Sonderpädagogen wäre so wichtig in allen Grundschulklassen, um auch hier den Bedarfen aller Kinder gerecht zu werden. Das entspräche mehr meinem Bild von „Inklusion“.

Leogrande: Auch wir empfinden die lnklusionsräume als großen Segen. Neben Schülerinnen und Schüler aus den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung sind auch Kinder und Jugendliche mit weiteren Förderschwerpunkten wie etwa körperlich-motorische Entwicklung oder Sehen bei uns. Hier sehen wir zunehmend Bedarf an spezifischen Fördermaterialien. Zahlreiche Kinder und Jugendliche benötigen in den lnklusionsräumen - .etwa aufgrund einer Autismus-Spektrum-Störung oder aufgrund einer ausgeprägten AD(H)S-Thematik individuell eingerichtete Zonen mit reizreduzierten Arbeitsmöglichkeiten. Weiteren Bedarf für gelungene Inklusion sehe ich insbesondere im Kontext Personal. Im Zuge des aktuellen Lehrermangels könnte die Implementierung weiterer Berufe im sonderpädagogischen Kontext gewinnbringend sein.

Göb-Fuchsberger: Wie beurteilen Sie es, dass der damalige Stadtschulrat Rainer Schweppe die Lernhäuser Ihrer Schulen gegen den Rat des MLLV mit großen Glasflächen ausgestattet hat?

Leogrande: Aus sonderpädagogischer Sicht stellt diese maximale Ausstattung mit Glasflächen eine belastende Herausforderung dar. Dies wurde im Partizipationsprozess permanent artikuliert, konnte aber nicht verhindert werden.

Viele unserer Schülerinnen und Schüler sind in ihrer Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt und müssen durch die Umglasung kontinuierlich gegen zahlreiche Ablenkungsquellen kämpfen. Außerdem ergibt sich das Problem, dass für Lehrkräfte zu wenige „echte Wände" zum Anbringen z. B. von Schaubildern oder Unterrichtsergebnissen zur Verfügung stehen. Wir haben uns selbstverständlich kreative Lösungen einfallen lassen, letztendlich bitten wir jedoch um die Nachjustierung mit partiell aufgebrachten Milchglasfolien.

Wobido: Viel Glas bedeutet zum einen viel Licht, eine helle Umgebung. Bei sehr starker Sonneneinstrahlung heißt es aber auch, dass Rollos und Vorhänge genutzt werden müssen, um die Technik einsetzen zu können und ein zu starkes Aufheizen der Zimmer zu vermeiden. Durch die Glasflächen lassen sich Kinder im Gruppenraum oder der Lernhausmitte im Auge behalten, ohne ständig hin- und hergehen zu müssen. Das ist sehr angenehm. Man weiß auch, wo welches Kind ist usw.

Schwierig erwiesen sich die Glasflächen beim Durchdenken der Handlungsmöglichkeiten im Falle eines Amokvorfalls. Dafür gibt es keine optimalen Lösungen. Das betrifft grundsätzlich eher die höheren Schularten - im Campus hängen aber alle Schularten enger zusammen. Damit betrifft es alle

.Göb-Fuchsberger: Der Begriff „Bildungscampus" bedeutet eigentlich mehr als ein Schulzentrum. Internationale Vorbilder integrieren Bildungseinrichtungen vom vorschulischen Bereich bis zur Erwachsenenbildung als kulturelles Zentrum für alle Bewohner der Umgebung. Das setzt ein professionelles Campusmanagement voraus, das die Stadt leider nicht etabliert hat. Kann der „Bildungscampus Freiham" dem Anspruch seines Titels dennoch gerecht werden?

Wobido: Wir Schulen sind untereinander wie auch zu anderen Bildungseinrichtungen und Gremien eng vernetzt. Anfangs wurden wir unterstützt durch einen Mitarbeiter des RBS, der Belange der Schulen bündelte und weitergab, auf Schwierigkeiten hinwies und versuchte, ähnlich einem Campusmanager zu agieren. Durch Einsparmaßnahmen fiel die Stelle weg. Der Leiter der Präventionskette unterstützt die Bestrebungen von uns Schulleitungen, ein Campusmanager wurde bis heute nicht eingesetzt.

Leogrande: Tatsächlich verstehe Ich mich als Mitglied eines Bildungscampus und erlebe uns als mehr als ein Schulzentrum. Wir sind bereits Begegnungszentrum, richten Fachtage, Symposien oder überregionale Fortbildungstage aus, wir bilden Erwachsene aus (wie etwa Deutschkurse für Geflüchtete), wir bieten vorschulische Förderprogramme an und haben eine schulvorbereitende Einrichtung, wir realisieren schulartübergreifende Kulturprojekte, bayernweite Schulsportturniere u. v. m. Jeder weitere Ausbau im Sinne eines umfassenden kulturellen Zentrums ist ohne Campuskoordination vor Ort nicht professionell realisierbar.

Göb-Fuchsberger: Herzlichen Dank für Ihre Erfahrungen aus erster Hand! Ich wünsche Ihnen und Ihren Teams alles Gute.

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 Nachgefragt:

Erfahrungen der Mittelschule Wiesentfelser Straße

Rektorin Zeitler: „Wir sind eine Institution.“


Die Mittelschule an der Wiesentfelser Straße hat sich zu Beginn der Planungen vor etwa 15 Jahren bewusst gegen einen Umzug auf den „Bildungscampus Freiham" entschieden. Auf Nachfrage berichtet Rektorin Elsbeth Zeitler von ihren Erfahrungen:

,,Der Campus ist natürlich ein beeindruckendes Gebäude, das technisch super ausgestattet ist. Auch die Absprachen der untergebrachten Schularten funktioniert gut, das habe ich schon mitbekommen. Aber auch ich kann von der Zusammenarbeit profitieren, da von Herrn Send-Rakelmann regelmäßig Schulleitertreffen für den Münchner Westen Aubing veranstaltet werden. Dabei werden unter anderem kulturelle, sportliche Angebote und berufsorientierende Projekte angeboten.


Mir war damals schon klar, dass ich mir viele Möglichkeiten beim Verbleib entgehen lasse. Bewusst haben wir uns damals gegen einen Umzug entschieden. Unsere Schüler leben zum großen Teil direkt in Neuaubing, vielen fehlt ein festes soziales Umfeld. Unsere Schüler kommen gern an die Mittelschule Wiesentfelser Straße, sie fühlen sich da heimisch. Das erzählen sie auch ganz offen. Das ist immer noch so. Wir sind eine Institution.

Leider werden in der gesamten Umgebung Einkaufszentrum, Banken, Arztpraxen etc. abgebaut und nach Freiharn verlagert. Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind noch nicht absehbar.

Noch vor einigen Jahren kannten die Lehrkräfte jeden Schüler, man konnte Veränderungen im Verhalten, familiären Umfeld und in den Leistungen schneller beobachten und versuchen aufzufangen.

Vom Bauboom sind wir natürlich nun trotzdem betroffen, denn die Mittelschüler kommen auch aus Freiham zu uns. Von ca. 260 Schülern im Jahr 2014 ist die Schülerzahl auf ca. 360 angestiegen. Ein Ende ist noch nicht absehbar, da eifrig gebaut wird. Direkt nach dem Auszug der Grundschule waren bald alle Klassenzimmer wieder belegt. 

Wir sind so etwas wie eine Stadtteilschule. Man kennt sich und fasst schnell Vertrauen. Auch ehemalige Schüler kommen noch. öfter vorbei, sogar mit ihren Kindern um ihnen die ehemalige Wirkungsstätte zu zeigen“, so Rektorin Elsbeth Zeitler.

Ich persönlich bin der Mittelschule an der Wiesentfelser Straße seit Jahren verbunden, überzeugtes Mitglied des Fördervereins und wünsche der Schulgemeinschaft weiterhin alles Gute.

Martin Göb-Fuchsberger

Bild oben: Die Mittelschule an der Wiesentfelser Straße. Aquarell von Elsbeth Zeitler